10.09. 2005: Erster Tag Abreise, Übernachten im Unwetter

Vier Stunden war ich heute Morgen durch die nebligen Siegener Wälder gewandert, bis ich an die Raststätte „Siegerland Ost“ kam. Den Abend zuvor hatte ich ziemlich lange gefeiert, deswegen war wohl mein Orientierungssinn etwas gestört, sodass ich einen längeren Umweg machte. Schlimm war das nicht, denn ich hatte gute Laune und der Lange Weg mit dem schweren Rucksack war ein gutes Training.

Inhaltsverzeichnis

Kurz nach Mittag kam ich an den Rastplatz. Dort wechselte ich mein nassgeschwitztes T-Shirt, um bei den Autofahrern einen sauberen Eindruck zu erwecken. An der Ausfahrt traf ich zwei Belgier, die Richtung München wollten. Ich unterhielt mich kurz auf Englisch mit ihnen, der eine studierte Informatik, der andere Biologie. Sie wollten durch Osteuropa trampen und planten am Sonntagabend in München zu sein. Ich ging ihnen dann aus dem Weg, zu viele Tramper verderben die schnelle Weiterreise.

Die Abenteuerreise beginnt

Nach etwa einer Stunde sprach ich einen jungen Autofahrer an, der gerade sein Auto vollgetankt hatte und auf dem Weg nach Gießen war. Er studiert evangelische Theologie. Obwohl ich einer der „Ungläubigen“ bin, führten wir interessante Gespräche.

In Gießen, welches auf meinem Weg in den Süden ein schlechter Zwischenstopp war, machte ich an einer Autobahnauffahrt eine kurze Pause und trampte dann weiter zum Rastplatz „Wetterau“ bei Obermörlen auf der A5 in Richtung Frankfurt am Main.

Dort war es bewölkt und vom anderen Tal-Ende donnerte ein Gewitter herüber. Es war schon nach fünf Uhr als ich die A5 weiter nach Süden mitgenommen wurde. Um sieben Uhr war ich an der Raststätte Bruchsal und beschloss hier zu übernachten. Ich ging die kleine ungeteerte Lieferantenstraße entlang in den Wald hinein.

Nach zwei Kilometern stieß ich abseits der Wege auf besagte Lichtung. Erschöpft blieb ich stehen und ließ meinen Rucksack unsanft auf die Erde fallen. Ich sah mich um. Die Lichtung war mit Farn und allerlei niedrigen Dornenbüschen bewachsen. Einige umgestürzte zum Teil schon halb verrottete Bäume lagen so herum wie sie gefallen waren. Zwei hohe Kiefern waren offensichtlich vom Windbruch verschont worden. Sie standen einsam und verloren in der Mitte der Lichtung. Auf der anderen Seite stand ein überdachter Hochsitz, vielleicht 50 Meter entfernt.

Füße auf einer Isomatte auf einer Lichtung im Wald. Daneben steht eine Dose Ravioli und eine Outdoor-Kunststoff Verpackung. Im Hintergrund sieht man Bäume, welche einen dunklen Wald bilden.
Auf der Lichtung am ersten Abend.

Ich entrollte meine Isomatte und ließ mich neben einem der herumliegenden Stämme nieder. Mit dem Rücken an den Stamm gelehnt, streckte ich genussvoll meine Beine aus und schaute in den Himmel. Nur wenige Wolken waren zu sehen. Nichts schien auf Regen hinzuweisen.

Von unten fotografiert sind hochgewachsene Fichten zu sehen, die vor dem farblosen Himmel dunkle Silouetten bilden.
Der Himmel über der Lichtung bevor das Gewitter aufzog.

Plötzlich verspürte ich einen Bärenhunger. Also baute ich meinen Benzinkocher auf, mit dem ich mir Ravioli aus der Dose kochen wollte. In der Raststätte hatte ich für die Konservenmahlzeit viel Geld ausgegeben. Den Kocher hatte ich von einem guten Freund ausgeliehen, allerdings noch nie ausprobiert. Ich füllte ihn also mit den morgens gekauften 300ml Feuerzeugbenzin und begann mit der kleinen Pumpe Druck im Tank aufzubauen.

Scheitern am Benzinkocher

Als ich meinte, genug gepumpt zu haben, versuchte ich ihn zu entzünden. Benzinkocher sind so gebaut, dass das Benzin unter Druck gasförmig wird und somit beim Verbrennen weniger rußt. Das Problem ist, dass man diese Brenner, genauer deren Generator vorwärmen muss, damit die Verbrennung in Gang gesetzt werden kann. Üblicherweise kann man dies mit einigen Spritzern Benzin oder dergleichen machen, doch ich hatte nun schon den gesamten Treibstoff in den Tank geschüttet und nur mein Feuerzeug um den Kocher vorzuwärmen.

Wie zu erwarten war, gelang es mir trotz längerem Versuchen nicht, dem Kocher eine Flamme zu entlocken. Ich verlor nur einige Haare an den Fingern. Schließlich gab ich auf. Ich war einfach zu müde um mühsam Benzin aus dem Tank des Kochers zu verwenden oder nochmal zur Raststätte zurückzugehen und Benzin zu kaufen. Ich packte den Schlafsack aus und stülpte ihm meinen wasserdichten Biwaksack über. Rucksack und Wanderschuhe schützte ich halbherzig mit zwei weißen Müllsäcken gegen Nässe. Den Kocher ließ ich stehen. Wegen des friedlichen Wetters rechnete ich wie gesagt nicht ernsthaft mit Regen. Dann schlüpfte ich in den Schlafsack und schlief bald ein.

Es fängt an zu regnen

Ich hatte vielleicht vier Stunden geschlafen, als ich geweckt wurde, weil es auf mein Gesicht regnete. Der Regen war schwach, im Halbschlaf des Reagierens zu träge, drehte ich mich um und schlief wieder ein.

Ein Gewitter zieht auf

Nach einer halben Stunde wachte ich erneut auf. Der Regen war erheblich stärker geworden und Gewitter setzte in nächster Nähe ein. Ich zog meinen Biwaksack weiter zu und überlegte einige Minuten. Im Prinzip war alles dicht genug verpackt, nur um meine Wanderschuhe machte ich mir Sorgen. Erst wollte ich aushalten, doch dann wurde das Gewitter immer schlimmer, die Blitze und Donner folgten einander nahezu synchron. Alle paar Sekunden war die Lichtung taghell erleuchtet. Die Wucht des Regens wurde immer heftiger. Mir wurde es auf der Lichtung mit ihren einzeln stehenden Bäumen langsam zu unsicher. Zumal es merkwürdigerweise auf einmal stark nach verbranntem Holz roch.

Ich dachte an den Hochsitz. Er stand von Bäumen verdeckt, sein vor Nässe schützendes Dach schien mir so verlockend, dass ich sämtliche Gefahren vergaß und kurzerhand nach draußen kroch. Den Schlafsack mit der Hand zuhaltend und nur mit Boxershorts und den geöffneten Wanderschuhen bekleidet, rannte ich, so schnell es eben ging, in Richtung Hochsitz. Den Rucksack wollte ich später holen. Meine kleine Taschenlampe reichte nur wenige Meter durch den dichten Regen, doch blitzte es so häufig, dass ich den Dornen und Baumstümpfen einigermaßen gut ausweichen konnte. Dann wurde das Gebüsch zu dicht, ich hatte Angst mir an Ästen oder Dornen meinen Biwaksack zu zerreißen. Also drehte ich um.

Blitze in nächster Nähe

Auf meinem Weg hatte ich am Abend einen zweiten Hochsitz gesehen, er stand einige hundert Meter entfernt abseits der Lichtung. Mit wagen Richtungsvorstellungen lief ich den Weg zurück in den Wald hinein, konnte aber auch diesen Hochsitz nicht finden. Die Blitze kamen sehr nah. Instinktiv duckte ich mich jedes Mal, und irrte so einige Minuten herum.

Irgendwann gab ich auf, wollte zu meinem Rucksack zurückkehren und merkte, dass ich nicht genau wusste wo ich hergekommen war. Ich schalt mich einen dummen Anfänger und wurde sehr ärgerlich ob des unüberlegten Fehlers. Diese Wut verhinderte glücklicherweise jedes Aufkommen von Angst. Ich rannte weiter in die Richtung, in der ich den Rucksack vermutete. Nach wenigen Metern fand ich ihn. Seine weiße Hülle leuchtete im gleißenden Licht eines Blitzes. Ich packte den Rucksack und zog ihn rennend hinter mir her unter ein nur mäßig schützendes Blätterdach. Bei einem besonders hellen Blitz schlüpfte ich, nass wie ich war, zurück in meinen Schlafsack. Den Biwaksack schnürte ich so weit zu wie es ging, nur ein kleines Luftloch blieb, kaum größer als meine Nase.

Nasser als nass

Leider konnte ich sehr schlecht schlafen. Entweder steckte meine Nase draußen im Regen und wurde nass, was zur Folge hatte, dass Wasser in den Schlafsack lief, oder sie war drinnen und ich glaubte zu ersticken. Hinzu kommt, dass ich aus Kostengründen nur einen nicht atmungsaktiven Biwaksack gekauft hatte. Dadurch konnte keine Feuchtigkeit nach außen dringen und im Schlafsack wurde es immer nasser. Denn kalt war es nicht und so dicht verpackt schwitzte ich sehr stark. Eine wahrlich ungemütliche Nacht. In stetem Wechsel zwischen Wachen und Schlafen wartete ich so den Morgen ab. Fast die ganze Nacht roch es nach Feuer. Gegen sieben Uhr wurde es hell. Ich stand auf, zog mich an und packte meine Sachen. Bis auf den Schlafsack war alles trocken geblieben. Den Kocher fand ich halb im Waldboden versunken, säuberte ihn flüchtig und verstaute ihn im Rucksack. Um acht Uhr machte ich mich auf den Weg zur Raststätte.

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3 Gedanken zu „10.09. 2005: Erster Tag Abreise, Übernachten im Unwetter“

  1. Hat mir sehr gefallen deine Reise, gibt es irgendwo noch mehr von dir zu lesen?
    Hab auch schon so Touren gemacht, und würde es gern wieder machen, vielleicht schon bald
    Gruß Klaus

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